NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Nach Jahren politischer Unsicherheiten und der Not der Weltwirtschaftskrise verbinden viele Menschen in Deutschland mit Machtantritt der Nationalsozialisten im Januar 1933 zunächst Hoffnungen auf bessere Zeiten. Das NS-Regime knüpft seine Verheißungen von Wohlstand und gutem Leben jedoch an einen totalitären Führungsanspruch. Staatlicher Terror und Propaganda verwandeln Deutschland binnen kurzer Zeit in eine Diktatur, in der sich alles – auch die Wirtschaft – den Welteroberungsplänen Adolf Hitlers unterordnet. Der offene Antisemitismus wird zum offiziellen politischen Programm. Auch im Einzelhandel führen die neuen Machtverhältnisse zu tiefgreifenden Veränderungen. Die jüdisch geprägte Branche verliert über Arisierung und Enteignung der großen Warenhausunternehmen ihre innovativsten Köpfe. In der Ökonomie spiegelt sich die Weichenstellung hin zu einer Rüstungs- und Kriegswirtschaft vor allem in Engpässen bei der Versorgung der Menschen mit Waren und Konsumgütern. Dem vom Regime kontrollierten Einzelhandel bleibt nur die Aufgabe, den um sich greifenden Mangel zu verwalten. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs spitzen sich die Entbehrungen zu; am Ende bricht nicht nur der Handel zusammen, sondern alles. Ein Land liegt in Trümmern.
Einzelhandel im Nationalsozialismus
Die erste Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels
Auch diese neuen Betriebsformen schließen sich in eigenen Vereinigungen zusammen. Auf Initiative des Warenhausunternehmers Oscar Tietz gründet sich 1903 der Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser (VDWK).
Im Verlauf des Ersten Weltkriegs kommt es zu erheblichen staatlichen Eingriffen in die Warendistribution. Unter Missachtung des Einzelhandels organisieren kommunale Kriegsausschüsse die Warenverteilung zugunsten der eigenen städtischen Läden.
Am 19. November 1918, zehn Tage nach Abdankung des Kaisers und mitten in den Tumulten der Novemberrevolution, lädt der Vorsitzende des Verbandes Berliner Spezialgeschäfte, Heinrich Grünfeld, insgesamt 32 telefonisch erreichbare Repräsentanten der in Berlin ansässigen Handelsverbände ein, um die Lage zu erörtern. Die Beratung entwickelt eine solche Dynamik, dass die Vertreter spontan eine Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels ins Leben rufen. Am 19. März 1919 wird die endgültige Satzung der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels e. V. Berlin (HdE) von 41 großen Einzelhandelsverbänden unter Einschluss des VDWK und des Verbandes Deutscher Lebensmittelfilialbetriebe angenommen: Das alte Schisma zwischen Kleinbetrieben und Mittelstand auf der einen und den Großbetriebsformen auf der anderen Seite ist überwunden. Erster Vorsitzender der HdE wird Heinrich Grünfeld.
In der Weimarer Republik kann sich die HdE als gemeinsame Stimme der Branche schnell etablieren. 1926 hat sie bereits 72 Mitglieder. Mit Beginn der 1930er-Jahre gehören ihr 80 Organisationen an, darunter fünf Reichsverbände, 46 Reichsfachverbände, 29 Landes-, Bezirks- oder Provinzialverbände sowie 44 öffentlich-rechtliche Berufsvertretungen des Handels.
Mit der Gründung der Hauptgemeinschaft zieht auch der Terminus „Einzelhandel“ in den deutschen Sprachgebrauch ein. Im August 1926 führt der HdE-Vorsitzende Grünfeld in Düsseldorf selbstbewusst aus: „Was ist Einzelhandel? Dieses Wort gehört dem deutschen Sprachschatz erst seit etwa eineinhalb Jahren überhaupt an und ist durch die Tätigkeit der Hauptgemeinschaft zum Gemeingut der deutschen Wirtschaftssprache geworden. Für uns ist Einzelhandel diejenige Form des Warenvertriebes, durch welche in beruflich-kaufmännischer Form Waren des Haushaltsbedarfs und des persönlichen Gebrauchs unmittelbar an die Verbraucher und Gebraucher abgesetzt werden.“
Die jährlichen nationalen Einzelhandelstagungen der Hauptgemeinschaft entwickeln sich zu viel beachteten Foren, in denen die Entwicklung des Handels, aber auch die Zusammenarbeit mit der Politik sowie den Interessen-vertretungen anderer Wirtschaftszweige im Mittelpunkt stehen. Neben ihrer Funktion als Lobbyverband bietet die HdE ihren Mitgliedern berufspraktische Unterstützung bei Organisation und Betrieb. So setzt sie sich schon 1925 für die Durchführung eines Betriebsvergleiches ein und unterstützt die Einrichtung der Forschungsstelle für den Handel 1929 in Berlin, die sich zu einem führenden Forschungszentrum der Handelswissenschaft in Europa entwickelt.